09.09.2022 -
Sicherlich haben Sie schon vom Wasserfallmodell gehört. Vielen ist der Begriff geläufig, anderen vielleicht weniger. In Artikeln über agiles Projektmanagement wird der Wasserfall immer als Gegenstück zum agilen Vorgehen genannt und kommt meist nicht gut weg. Aber auch der Wasserfall hat seine guten Seiten und ist in manchen Situationen vielleicht gar nicht so verkehrt. Was also genau bedeutet Wasserfallmethode oder Wasserfallmodell?
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09.09.2022 -
Es gibt kein Zurück
Da das Wasserfallmodell seinen Namen vom Wasserfall hat, ist dieser Vergleich auch ganz gut geeignet, um sich das Modell vor Augen zu führen. Es handelt sich um ein lineares Modell. Wie bei einem fließenden Gewässer geht alles immer in eine Richtung. Ein Schritt folgt auf den nächsten. Am Beispiel des Projektmanagement bedeutet das, dass jede Phase fest definiert ist, dass sie genau einmal durchlaufen wird und dass danach die nächste Phase folgt. Wie bei einer Abfolge von Wasserfällen. Es gibt kein Zurück. Dieses Modell wurde für Projekte entwickelt, bei denen die Abfolge vollkommen klar ist und bei denen die Anforderungen und Zielvorstellungen von Beginn an feststehen. Sie erwarten unterwegs keine Änderungen? Dann kann die Wasserfallmethode für Ihr Projekt genau richtig sein. In der Softwareentwicklung ist das Modell tatsächlich überholt und unpassend, aber es gibt ja schließlich noch mehr Projekte. Und es muss ja auch nicht sklavisch verwendet werden: Es ist ein Modell, kein Schraubstock.
Wie funktioniert das Modell?
Schauen wir uns zunächst die Definitionen des Wasserfallmodells an. Im Gabler Wirtschaftslexikon steht, dass das Wasserfallmodell ein lineares Vorgehensmodell ist, das sich klassischerweise in sechs Phasen unterteilt, welche streng getrennt voneinander nacheinander ablaufen. Wikipedia definiert das Wasserfallmodell als ein lineares und damit nicht iteratives Vorgehensmodell, welches aus aufeinanderfolgenden Projektphasen beruht. Wikipedia zieht zudem den Vergleich zwischen Wasserfall und Projekt: Beide fließen vorwärts. Es gibt keine Rücksprünge oder Überlappungen von Phasen. Es verläuft geradeaus. Auf dem Zeitstrahl eines Wasserfall-Projekts lassen sich die Meilensteine leicht am Ende jeder Phase platzieren. Start- und Endtermin sind streng und klar definiert. Seinen Ursprung hat das Modell tatsächlich in der Softwareentwicklung, aber mittlerweile ist es nicht mehr nur darauf beschränkt, vor allem, weil das Modell in der Entwicklung von Software eigentlich nicht mehr angewendet wird. Viele Menschen verwenden den Begriff Wasserfallmodell als Synonym für klassische Projektmanagementmethoden und als Antonym zur agilen Projektentwicklung.
Wo kommt es her?
Ein kurzer Blick auf die Geschichte: Viele Quellen weisen das Modell Dr. Winston W. Royce zu. Er hat 1970 einen Artikel verfasst, den er mit „Managing the development of large software systems“ überschrieben hatte. Er hat darin sogar grafisch einen Wasserfall gezeichnet und gleichzeitig den Nutzen des Modells in seine Grenzen verwiesen. So schrieb er in seinem Artikel nicht nur, wie das Modell funktioniert, sondern auch, dass es riskant sein kann und Misserfolge praktisch vorprogrammiert sind. Interessanterweise kommt das Wort Wasserfall in Royce‘s Artikel selbst gar nicht vor. Er schreibt vom linearen Ansatz. Royce nannte das Modell nicht Wasserfall und er kritisierte es im Grunde nur. Warum schreiben ihm also die Leute die Erfindung dieses Modells zu? Das ist nicht ganz klar. Fest steht, dass sich nach 1970 viele Menschen auf diesen Artikel bezogen haben und Royce seither damit verbunden wird.
Nur schlecht?
Es wäre zu einfach, auf Royce Kritik aufzubauen und zu behaupten, dass das Wasserfallmodell stellvertretend für alle klassischen und linearen Ansätze einfach überholt und schlecht sei. Bedenken Sie nur, dass auch im klassischen Projektmanagement Überlappungen schon immer eine Rolle gespielt haben. Das Wasserfallmodell ist nur eine Illustration des linearen Ansatzes. Ein Archetyp. Ein Beispiel. Stellen Sie sich vor, Sie hätten Ihr Projekt in verschiedene Phasen unterteilt und jede dieser Phasen würde nach dem Wasserfallmodell ablaufen. Die Phasen untereinander sind jedoch überlappend, können sich wiederholen je nach Outcome und der gesamte Prozess ist iterativ. Schon klingt es so, als könne der lineare Ansatz auch in einer modernen Welt in Teilbereichen funktionieren.
So ist es nun mal im Projektmanagement. Manche Projekte werden nach dem Wasserfallmodell durchgeführt, erfüllen aber am Ende nicht die Kriterien eines linearen Ansatzes. Andere Projekte sind super agil und wirken rückblickend wie ein typischer Wasserfall. Die Grenzen sind meist fließend, weshalb es auf jeden Fall smart ist, sich auch mit dem Wasserfallmodell und seinen Eigenheiten, Vor- und Nachteilen zu befassen. Zusammenfassend kann man sagen, dass sich das Modell (in einer strengen oder weniger strengen Art und Weise) auf Projekte anwenden lässt, bei denen Start und Ende sowie die Anforderungen klar definiert sind, bei denen linear Aufgaben abgearbeitet werden müssen und bei denen das Ziel schon zu Beginn feststeht. Außerdem eignet es sich nur, wenn wenige oder keine Änderungen an den Vorgaben während des Projektablaufes zu erwarten sind. In hierarchischen Entscheidungsstrukturen und in traditionellen Unternehmensumfeldern lassen sich lineare Projekte gut anordnen. Als Beispiele könnte der Bau eines Fertighauses genannt werden. Die Vor- und Nachteile liegen klar auf der Hand: Das Modell ist deutlich weniger flexibel als agile Ansätze. Es gibt allerdings eine größere Sicherheit in Sachen Terminschiene und Kosten. Der Fortschritt lässt sich klar ablesen und messen. Bei komplexen Projekten ist das Modell zu starr, um sich anzupassen.
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