08.04.2022 -
Noise ist englisch für Lärm. Was bitte hat das mit Entscheidungen zu tun? Wieder einmal ein Fachbegriff, bei dem kein Übersetzungsprogramm helfen kann. „Noise“ ist als Gegensatz von „Bias“ zu sehen. Bias bedeutet, dass derjenige, der die Entscheidung trifft, voreingenommen ist. Noise definiert der Autor Kahneman als eine „unerwünschte Variabilität von Urteilen“. Unter Noise versteht man also die systematische Varianz, die in einer Person oder einem Unternehmen vorhanden ist und die zu Fehlern bei Entscheidungen führen kann. Bias geht also in eine bestimmte Richtung, während Noise in alle möglichen Richtungen gehen kann, auch unbewusst.
Weiterlesen »
08.04.2022 -
Zunächst einmal: was bedeutet Noise?
Noise ist englisch für Lärm. Was bitte hat das mit Entscheidungen zu tun? Wieder einmal ein Fachbegriff, bei dem kein Übersetzungsprogramm helfen kann. „Noise“ ist als Gegensatz von „Bias“ zu sehen. Bias bedeutet, dass derjenige, der die Entscheidung trifft, voreingenommen ist. Noise definiert der Autor Kahneman als eine „unerwünschte Variabilität von Urteilen“. Unter Noise versteht man also die systematische Varianz, die in einer Person oder einem Unternehmen vorhanden ist und die zu Fehlern bei Entscheidungen führen kann. Bias geht also in eine bestimmte Richtung, während Noise in alle möglichen Richtungen gehen kann, auch unbewusst. Laut Kahneman verzerrt Bias also das Denken, während Noise uns unerwünscht beeinflusst. Wenn Sie etwas beurteilen und eine Entscheidung treffen müssen, kann Ihnen natürlich beides gleichermaßen im Wege stehen.
James Mitchell Lee hat das Buch „Noise: Was unsere Entscheidungen verzerrt“ von Daniel Kahneman, Olivier Sobony und Cass Sunstein gelesen. Er nimmt seine Lektüre zum Anlass,
das Thema Noise auf dem Teamworkblog zu besprechen, dessen Inhalte wir hier für Sie zusammenfassen. Zunächst weist er darauf hin, dass in dem Buch ein ganz menschliches und weitverbreitetes Phänomen angesprochen wird, nämlich, dass die meisten Menschen davon ausgehen, dass Entscheidungen im professionellen Bereich immer fundiert und sachlich getroffen werden und dass die Realität davon weit abweicht. Gleichzeitig hebt er hervor, dass in dem vorliegenden Buch von Kahneman darauf eingegangen wird, wie durch strukturierte Zusammenarbeit die schier unendliche Fehlbarkeit von Menschen minimiert beziehungsweise ausgeglichen werden kann.
Ist Noise gefährlich?
Warum ist es so gefährlich, wenn Noise eine Entscheidung beeinflusst? Im Extrembeispiel ist ein Richter bei seiner Entscheidung unerwünscht von Noise beeinflusst. Millionen Menschen verlassen sich auf das gerechte, unparteiische und objektive Urteil eines Richters. Was also, wenn er nicht nur seinen Verstand gebraucht? Auch von Ärzten wird stets erwartet, dass sie ihre Entscheidungen ohne den Einfluss persönlicher Gefühle treffen. Ähnlich, wenn auch nicht ganz so verheerend in den Folgen, sind Entscheidungen von Politikern, Managern, Führungskräften, Lehrern, Analysten und so weiter. Urteile und Entscheidungen spielen in quasi jedem Beruf eine wichtige Rolle und wir neigen dazu, Urteilen, die von kompetenten Personen gefällt werden, zu vertrauen. Und nun zur Noise: Kahneman ist sich mit seinen Co-Autoren einig: Noise gibt es überall. In jedem Menschen. Da Noise aber die Entscheidungskraft und Entscheidungssicherheit beeinflusst, was wie erörtert verheerende Folgen haben kann, ist es wichtig, zu versuchen, Noise weitgehend zu reduzieren, damit man sich auf Entscheidungen konzentrieren und diese bestmöglichen fällen kann.
Wie reduziert man Noise?
Es gibt Methoden, um Noise zu reduzieren. Diese sind auch in dem neuen Buch von Kahneman beschrieben. Eine dieser Methoden ist die Zuhilfenahme von Richtlinien. Wer seine Entscheidungen und Beurteilungen an vorher festgelegten klaren Strukturen festmacht, hat eine bessere Chance, ein objektives und vernunftbasiertes Ergebnis zu erzielen. Ein anderer Ansatz wäre es, einen Algorithmus zu nutzen, der auf KI basiert. KI ist vor allem dann oft unschlagbar, wenn es darum geht, zu beurteilen, inwieweit eine Voraussage eingetroffen ist. Aber selbst in den Fällen, in denen Maschinen erwiesenermaßen die besseren Urteile treffen, lehnen die meisten Menschen es ab auf das Urteil einer Maschine zu vertrauen. Dazu kommt, dass das menschliche Wesen dazu tendiert, trotz widersprüchlicher Informationen passende und logische Erklärungen selbst zu erfinden. Es gibt nichts Menschlicheres, als die Befriedigung darüber, etwas das eingetreten ist schon vorausgeahnt oder vorausgesagt zu haben. Das vielzitierte Bauchgefühl spielt hier eine Rolle ebenso wie der Glaube daran, etwas zu wissen, was man eigentlich nicht weiß. Problematisch am Phänomen der Noise ist, dass sie im Grunde nur durch statistische Erhebungen aufgezeigt werden kann. Andere erkennen eine unfaire Bewertung vielleicht, bewerten diese aber eher als Voreingenommenheit. Man selbst ist sich nicht bewusst, dass Noise die eigene getroffene Entscheidung beeinflusst hat.
Noise in Unternehmensanteilen
Selbst Menschen, die sich des Phänomens durchaus bewusst sind, lehnen meist instinktiv computergesteuerte Entscheidungen ab, weil sie zu starr, zu unmenschlich sind. In Kahnemans Buch wird gefolgert, dass eine Einzelperson im Kampf gegen Noise quasi wehrlos ist. Da Individuen aber Entscheidungen auch in Unternehmen treffen, ist es auch in der Gemeinschaft schwierig, Noise effizient zu reduzieren. Trotzdem wollen die Autoren Noise bekämpfen und rufen aktiv dazu auf. Lee kommt hier auf seine eigenen Interessen zu sprechen. Er hat aus der Lektüre die Lektion gezogen, dass gemeinsam getroffene Entscheidungen stärker sind als allein getroffene Entscheidungen und dass es nicht schaden kann, auch eine computergestützte, 100% objektive und faktenbasierte Entscheidung zumindest in die Überlegungen einzubeziehen. Während sich Kahneman darauf konzentriert, seinem Leser die Strukturierung von Entscheidungsprozessen schmackhaft zu machen, sieht die Realität oft anders aus.
Was tun?
Dennoch schließt sich Lee den Empfehlungen aus Kahnemans Werk an. Folgende Tipps sind hilfreich:
- Verwenden Sie Hilfsmittel wie Statistiken, Referenzklassen oder Basisraten.
- Lassen Sie Kreativität und Werteskalen beim Festlegen von Zielen nicht die Oberhand gewinnen.
- Strukturieren Sie Ihren Entscheidungsfindungsprozess, indem Sie ihn in Unteraufgaben unterteilen.
- Beurteilen Sie wenn möglich einzelne Komponenten gesondert, bevor Sie das Gesamtbild beurteilen.
- Vermeiden Sie, auf Ihre Intuition zu hören oder vorschnelle Urteile in Ihre Überlegungen mit einzubeziehen.
- Versuchen Sie, alle Meinungen zusammenzufassen.
- Vermeiden Sie es, sich ein Urteil zu bilden, bevor Sie alle Informationen haben.
- Greifen Sie auf die Technik des „Schätzen – Besprechen – wieder Schätzen“ zurück, die in der agilen Planung verwendet wird.
- Verwenden Sie relative Vergleiche statt abstrakter Skalen.
« Alle Beiträge